Carlos
Drummond de Andrade
Congresso
internacional do medo
Internationaler
Angstkongreß
Vorläufig
werden wir nicht die Liebe besingen
Die
weit unter die Kellergewölbe geflüchtet ist.
Wir
werden die Angst besingen welche die Unarmungen
sterilisiert,
Wir
werden
nicht
den
Haß
besingen
weil
er
nicht
existiert,
Es
existiert nur die Angst, unser Vater und unser Gefährte,
Die
große Angst vor den Wäldern, den Meeren, den Wten,
Die
Angst der Soldaten, die Angst der Mütter, die Angst der Kirchen,
Wir
werden die Angst der Diktatoren besingen, die Angst der Demokraten,
Wir
werden die Angst vor dem Tode und die Angst nach dem Tode
besingen,
Dann
werden wir vor Angst sterben
Und
auf unseren Gräbern werden gelbe ängstliche Blumen
blühen.
Trad.
Curt
Meyer-Clason
/
1965
original
…
Procura
da Poesia
Auf
der Suche nach der Dichtung
Mach
keine Verse aus Geschehnissen.
Für
die Dichtung gibt es weder Schöpfung noch Tod.
Für
sie ist das leben eine ekstatische Sonne,
Die
weder wärmt noch leuchtet.
Wahlverwandtschaften,
Geburtstage, persönliche Zwischenfälle
zählen
nicht.
Mach
keine Gedichte aus dem Körper,
Diesem
vortrefflichen, vollkommenen und bequemen Körper,
der
so wehrlos ist gegen lyrischen Taumel.
Dein
Tropfen Galle, deine Fratze der Lust oder pein im Dunkeln
Sind
belanglos.
Enthüll
mir nicht deine Gefühle,
Die
vom
Mißverständnis
leben
und
die
lange
Reise
versuchen.
Was
du denkst und fühlst, ist noch längst keine Dichtung.
Besing
nicht deine Stadt, laß sie in Frieden.
Gesang
ist nicht der Gang der Maschinen noch das Geheimnis
der
Häuser.
Er
ist nicht die unterwegs gehörte Musik, nicht das
Meeresrauschen
In
den Straßen nahe am Schaumrand.
Gesang
ist nicht die Natur,
Nicht
Menschen in Geselschaft.
Regen
und Nacht, Müdigkeit und Hoffnun bedeuten ihm nichts.
Dichtung
(mach keine dichtung aus den Dingen)
Löscht
Subjekt und Objekt.
Dramatisiere
nicht, rufe nicht an,
Forsche
nicht. Verlier keine Zeit mit Lügen.
Ärgere
dich nicht.
Deine
Marmorjacht, dein Diamantenschub,
Eure
Mazurkas und Selbstt6auschungen, eure Familienskelette
Verschwinden
hinter der Kurve der Zeit, sie sind zu nichts nütze.
Laß
nicht
Deine
begrabene schwermütige Kindheit aufleben.
Schwanke
nicht zwischen dem Spiegel und dem
Schwindenden
Gedächtnis.
Ween
es schwand, war es keine Dichtung.
Wenn
er zerbrach, war er kein Kristall.
Dring
unbeirrt ein in das Reich der Worte.
Dort
sind die Gedichte die geschrieben werden wollen.
Sie
sind gelähmt, aber nicht verzweifelt,
Alles
ist Ruhe und Frieden auf der unversehrten Oberfläche.
Hier
sind sie allein und stumm, im Zustand des Wörterbuchs.
Lebe
mit deinen Gedichten, bevor du sie schreibst.
Hab
Geduld, wenn sie dunkel sind, bewahre Ruhe, wenn
sie dich
herausfordern.
Warte,
bis ein jedes sich verwirklicht und vollbringt
Mit
seiner Macht des Wortes
Und
seiner Macht der Stille.
Zwing
nicht das Gedicht sich aus der Vorhölle zu lösen.
Heb
kein Gedicht vom Boden auf, das verloren ging.
Schmeichle
nicht dem Gedicht. Nimm es hin
Wie
es seine endgültige gesammelte Form hinnimmt
Im
Raum.
Komm
näher und betrache die Worte.
Ein
jedes
Hat
tausend geheime Gesichter unter dem neutralen Gesicht
Und
fragt dich, gleichgültig gegen deine Antwort,
Ob
armselig oder schrecklich:
Hast
du den Schlüssel mitgebracht?
Gib
acht:
Frei
von Melodie und Sinn,
Fliehen
sie in die Nacht, die Worte,
Noch
feucht und schwer von Schlaf,
Schwimmen
sie in einem schwierigen Strom und verwandeln
sich
in Verachtung.
Trad.
Curt
Meyer-Clason
/
1965
original
Carlos
Drummond
de
Andrade
Poesie